Spendenprojekt: Ein afrikanisches Dorf feiert seine Schule

PASS hat sich an einem gemeinsamen Spendenprojekt unter der Leitung der Stiftung Fly & Help und des Rotary Clubs Aschaffenburg beteiligt. Entstanden ist eine neue Schule in Malawi. Eindrücke von der Eröffnung der Tadala abc Primary School.

Seit vier Jahren haben wir bei PASS alle Gelegenheiten genutzt, um Spenden für den Bau von Schulen in Madagaskar, Namibia und zuletzt in Malawi zu sammeln. Zusammen mit der Stiftung Fly & Help wurden die Projekte umgesetzt und wir freuten uns über Fotos von Kindern, die in vernünftigen Klassenzimmern lernen können. Nun ist es eine Sache, beim Spendensammeln mitzuwirken, damit „irgendwo in Afrika“ eine Schule gebaut werden kann und dazu einige Fotos zu bekommen – für mich war es jedoch ein zutiefst bewegendes Erlebnis, direkt vor Ort dabei zu sein, das Ergebnis zu sehen und die Menschen zu treffen, die unmittelbar davon profitieren.

„Was möchtest du einmal werden?“, fragt die Lehrerin ihre Grundschulklasse. Viele Hände heben sich. Offensichtlich haben die Kinder darüber schon gründlich nachgedacht. „Ärztin, ich will eine Ärztin werden!“, ruft das Mädchen, welches als erstes drankommt. Dass sie ihr Ziel erreichen wird, ist mit dem heutigen Tag etwas wahrscheinlicher geworden. Wir sind im afrikanischen Malawi im Dorf Mzungu etwas weniger als eine Autostunde von der Hauptstadt Lilongwe entfernt. Es ist Mittwoch, der 20. September 2023. Tag der Einweihung der neuen Tadala ABC Primary School. Acht helle, freundlich gestaltete und komplett möblierte Klassenzimmer, ein Lehrerzimmer und neue Toiletten, ein Brunnen und eine Solaranlage werden heute in einer feierlichen Zeremonie ihrer Bestimmung übergeben.

Feierliche Eröffnung einer neuen Bildungsstätte

Das gesamte Dorf ist da. Die Bewohner sitzen am Rande des großen Schulgeländes im Schatten großer Bäume. In der Mitte des Platzes schützt ein Zeltdach die Ehrengäste vor der grellen Sonne. Hoher Besuch ist da: Das Stammesoberhaupt, eine großgewachsene Frau, der zuständige Parlamentsabgeordnete, das Dorfoberhaupt, viele Würdenträger, Ehrengäste, eine Abgesandte der deutschen Botschaft und wir, eine kleine Delegation aus Deutschland, welche all jene vertritt, die dieses Projekt mit Spenden ermöglicht haben – allen voran der Rotary Club Aschaffenburg und die Gäste unseres alljährlichen PASS Late Year Benefiz.

Frauen aus Mzungu eröffnen das Fest. In farbenfrohen Gewändern singen und tanzen sie zu den getrommelten Rhythmen. Es ist brütend heiß, doch ihr melodischer Gesang versprüht Freude und Euphorie. Ich verstehe ihre Sprache nicht, kann mir jedoch herleiten, dass sie der Namensgeberin der Schule, Tadala Kandulu Ngosi, die das alles möglich gemacht hat, eine Art Dankeschön darbieten. Immer wieder ist ihr Name im Gesang zu vernehmen. Zu Tadala werde ich später noch kommen.

Bildung als Schlüssel zu einer fortschrittlichen Gesellschaft

Die Zeremonie dauert mehrere Stunden und ist geprägt von Schauspiel, Tänzen verschiedener Gruppen und Reden der Ehrengäste, welche alle Aspekte des Prozesses von der Planung der Schule bis zu ihrer Eröffnung aufgreifen. Darin sehen die lokalen Würdenträger ihren Ort erblühen, die Politiker rühmen sich als Wegbereiter, die Vertreterin der deutschen Botschaft freut sich über Bildungsfortschritte durch deutsche Privatinitiativen, die Spender aus Deutschland über den unmittelbaren Charakter ihrer Hilfe und alle sind in dem Gedanken vereint, dass Bildung der Schlüssel hin zu einer prosperierenden, fortschrittlichen Gesellschaft ist.

Ich fotografiere das Geschehen. Zwischendurch setze ich mich unters Zeltdach und habe Mühe, aufmerksam zu bleiben, denn die Hitze und lange Reden in Chichewa, der Sprache der einheimischen Bevölkerung, sowie die vielen neuen Eindrücke lassen meine Gedanken immer wieder abschweifen. 

Vor allem zurück zum Vortag. Wir waren – begleitet von den jeweiligen Abgeordneten und einem Offiziellen der Schulbehörde – hinaus ins Land gereist, um weitere Schulbauprojekte zu prüfen. Dabei konnten wir sehen, dass der Bedarf für Schulen riesig ist. Malawi hat 20 Mio. Einwohner, das Durchschnittsalter beträgt 16,4 Jahre, 50 Prozent der Bevölkerung ist 15 Jahre und jünger. Uns boten sich Szenarien wie diese: Eine Lehrerin mit ca. 200 Kindern in einem Klassenraum auf dem Fußboden sitzend bzw. auf Lehmmäuerchen, teils in beschädigten Gebäuden oder im Freien. Sanitäre Anlagen gibt es nicht, lediglich gemauerte Verschläge, die einen Sichtschutz bieten.

Ein überfülltes Klassenzimmer in einer ländlichen Region Malawis

Als wir auf dem Schulhof aussteigen, rennen Horden von Kindern auf uns zu, sie kreischen und springen voller Neugier auf die „Aliens“ und tanzen und lachen. Ich konnte meinem Reflex nicht widerstehen, das Handy zu zücken und zu filmen. Das lässt sie allerdings nur noch lauter kreischen. Ich könnte mich darüber freuen, aber die Gefühle sind gemischt. Die Verhältnisse sind einfach zu extrem. Diese Massen von Kindern mit Wünschen und Hoffnungen, voller Erwartungen und Neugier. Man möchte ihnen alles geben.

Neue Lernatmosphäre dank Spendenprojekt aus Deutschland

Lautes Trommeln holt mich zurück in die Gegenwart, zurück zur laufenden Zeremonie. Eine Gruppe verwegen aussehender, maskierter Tänzer tritt auf. Es wirkt etwas düster, mir wird erklärt, dass keine Feier ohne sie stattfindet. Es handelt sich im Ursprung um einen Geheimbund, einen Kult, der die Verbindung zu den Ahnen herstellt. „Gule Wamkulu“, der große Tanz wird aufgeführt.

Höhepunkt ist das Durchschneiden des Bandes, welches die Eröffnung der Schule nun besiegelt. Wir schreiten durch die schönen, hellen und bunt gestalteten Räume, die noch nach frischer Farbe riechen. An den Wänden in blau-weiß sind Buchstaben, Zahlen, Früchte und Farbfelder aufgemalt. Neue Pulte und Bänke aus Holz sind aufgestellt und unterstreichen, dass hier eine Lernatmosphäre mit überschaubar vielen Schülerinnen und Schülern geschaffen wurde. Für mehrere Hundert in einem Raum ist kein Platz.

Schulgebäude, Lehrerhäuser und zwei Tennisplätze

Das Schulgebäude hat die Form eines „U“. Auf dem weiten Platz davor wurde ein Brunnen errichtet, der das gesamte Dorf versorgt. Schaut man sich auf dem weitläufigen Gelände um, erblickt man die noch im Bau befindlichen Lehrerhäuser. Diese müssen bei jeder Schule mit eingeplant werden, um die Lehrer und Lehrerinnen in den abgelegenen Regionen ansiedeln zu können. Auf der gegenüberliegenden Seite des riesigen Geländes sieht man etwas, das man hier definitiv nicht erwarten würde: zwei Tennisplätze, umgeben von hohen Ballzäunen. Sie haben keinen blauen Belag, vielmehr sind sie aus Beton und dennoch wirken sie zunächst wie ein Fremdkörper in dieser auf das Nötigste beschränkten Welt. Und damit sind wir bei Tadala Kandulu Ngosi.

Als Kind im Süden von Malawi aufgewachsen, nahm ihr älterer Bruder sie mit zum Tennisunterricht. Sie selbst hatte bis dahin nie einen Schläger in der Hand. Doch sie probierte es aus und wurde vom Trainer als Talent erkannt. In Malawi ist sie bis heute die erfolgreichste Tennisspielerin. Dank ihrer Erfolge erhält Tadala ein Stipendium für das Studium in den USA. Nach erfolgreichem Abschluss steht für sie fest: Sie wird zurück in ihre Heimat gehen, um dort etwas zu bewegen. Der Sport und ihre schulischen Leistungen hatten ihr Tür und Tor geöffnet. Dies sollte sich für so viele Kinder wie möglich bewahrheiten.

Mit der Match Foundation jungen Menschen feste Strukturen ermöglichen

Ein Studienfreund aus Deutschland und dessen Familie, allesamt begeisterte Tennisspieler, werden zu wichtigen Unterstützern von Tadalas Initiative, Kindern aus einem der ärmsten Viertel von Lilongwe auf dem Parkplatz eines Stadions das Tennisspielen beizubringen. Hier hat sie mit Farbe die Linien aufgezeichnet und ein gespendetes Netz gespannt. Weitere Ausrüstung wird in Deutschland gesammelt. Tadala gründet die Match Foundation, eine gemeinnützige Organisation. Der Sport ist hier Teil eines Konzepts, das die Kinder von der Straße holt – wo sie schnell in kriminelle Zirkel abdriften – und ihnen Struktur gibt: Jeden Tag die Schule besuchen und zum Tennistraining gehen. Dazu Hilfe bei den Hausaufgaben und Nachhilfe. Inzwischen vermittelt die Match Foundation auch Patenschaften für Kinder mit besonders guten Leistungen, um ihnen weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen zu ermöglichen.

Match Foundation Tennis auf einem Parkplatz in Malawi
Tennisplätze an der Tadala ABC Primary School
Tadala Kandulu Ngosi

Als Tadala über ihren Studienfreund von den Schulbauprojekten der Aschaffenburger Rotarier gemeinsam mit der Stiftung Fly & Help erfuhr, war es nur noch ein kleiner Denkanstoß, der dafür sorgte, dass die nächste Schule mit dem Projekt der Match Foundation verbunden werden könnte. So trieb Tadala das Schulbauprojekt von der ersten Minute an voran.

Und hier sind wir nun: Nur etwas über ein Jahr ist vergangen, seitdem die Idee Gestalt angenommen hatte. Menschen in und um Aschaffenburg haben gespendet. Menschen in Malawi haben daraus dieses Projekt verwirklicht. Kinder singen, tanzen und springen voller Enthusiasmus in ihren blauen Schuluniformen um die neuen Gebäude. Bälle fliegen über die Betonplätze. Ein Dorf feiert.

Am Ende dieses eindrucksvollen Tages sitzen Tadala und ich in einem der Klassenzimmer. Draußen heben immer wieder Gesänge und Tänze der Frauen und Männer aus dem Dorf an. Ich frage sie: „Wie würdest du das, was du heute und in diesem letzten Jahr erlebt hast, zusammenfassen?“ Sie schaut aus dem Fenster und denkt einen Moment nach, dann antwortet sie mit einem Lächeln: „Aim higher and never stop dreaming.“ Die Leistungssportlerin in ihr hat gesprochen.

Für lebendige Eindrücke empfehle ich unseren Film von der Einweihung der Tadala ABC Primary School:

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